Veranstaltungs-Rückblick
Fachtag Demenz und Migration
Der erste gemeinsam geplante Fachtag mit allen bayerischen Fachstellen für Demenz und Pflege hatte das Thema „Migration und Demenz“, und war direkt ein großer Erfolg. Die Veranstaltung richtete sich an pflegerische Beratungsstrukturen, Krankenhäuser, Pflegeschulen etc., und auch an die verschiedenen Angehörigenberatungen in Bayern. Die Online-Veranstaltung wurde mit etwa 125 Teilnehmern sehr gut angenommen. Diese Beteiligung spricht dafür, dass es zum Thema einen hohen Informationsbedarf in Bayern gibt.
Eine zunehmende Zahl von Älteren hat eine Migrationsbiographie und wird auch in der Situation eines Pflegebedarfes sehr wahrscheinlich in Deutschland verbleiben. Ihre individuellen Bedürfnisse und Ansprüche in der Beratung und Pflege werden jedoch noch nicht ausreichend durch deutsche Regeldienste entsprochen. Interkulturelle Öffnung wird zwar als Konzept bereits länger diskutiert, findet aber noch keine ausreichende Verbreitung. Somit war es angebracht im Rahmen eines Fachtages über die kultursensible Beratung und Versorgungsstruktur in der Altenhilfe zu diskutieren.
Die Fachbeiträge in der Veranstaltung am 16. Mai 2023 verdeutlichten, was auf die Regeldienste zukommt. Die meisten älteren Migrantinnen und Migranten mit Pflegebedarf werden heute in den Familien versorgt. In diesen Familien entstehen die gleichen Fragen zur Versorgungssituation, wie bei der deutschen Bevölkerung. Auch die Hauptpflegepersonen mit Migrationshintergrund brauchen Information und Entlastung. Dass viele Migrantinnen und Migranten die Regeldienste und Beratungsstellen nicht unbedingt von sich aus als Anlaufstelle nutzen, liegt zum Teil an Unkenntnis über die Strukturen der Altenhilfe, aber auch an der Scham professionelle und fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen.
In der Veranstaltung wurde deutlich wie wichtig die fachliche Reflexion des eigenen professionellen Alltags und der Beratungsarbeit bisweilen sein kann. Zentral was die Erkenntnis, dass eine Nichtinanspruchnahme der Beratung oder anderer vorhandener Dienstleistungen nicht zwangsläufig bedeutet, dass der Bedarf bei diesen Personen und Gruppen nicht existiert. Die vorhandenen Barrieren bleiben häufig unreflektiert im Verborgenen.
Die Zielsetzung sollte daher sein diese „Dunkelziffer“ der anspruchsberechtigten Zielgruppen innerhalb der Beratung und die Hürden bei der Nutzung der Angebote zur Unterstützung im Alltag zu verkleinern.
Einen sehr guten fachlichen Einstieg zum Thema gab Frau Dr. Dr. Hürrem Tezcan-Güntekin von der Alice Salomon Hochschule Berlin. Sie erörterte die Möglichkeiten und Grenzen der diversitätssensiblen Versorgung und ging auf die Schwierigkeiten und Ressourcen der pflegenden Angehörigen mit Migrationshintergrund sehr informativ ein.
Welche Zugänge man zu den verschiedenen Gruppen nutzen kann, wurde am Beispiel des Praxisprojekt „HelHanl e.V.“ aus Nürnberg deutlich. Dort ist in wenigen Jahren eine professionell aufgebaute migrantische Ehrenamtlichen-Struktur in Vereinsform entstanden, um die verschiedenen Ethnien in der Stadt gut zu erreichen. Dieser Verein ist mit sämtlichen professionellen lokalen Stellen der Pflege und Beratung gut vernetzt, und arbeitet als wertvolles Bindeglied zu den Regeldiensten.
Frau Semra Altinisik von Alzheimer-Gesellschaft München e.V. verdeutlichte u.a. in ihrem Beitrag, dass der Unterschied zwischen migrantischen und deutschen Beratungsfällen gar nicht so groß ist. „Wenn man in jeder Beratungssituation mit einer professionellen Neugier und mit Personenzentrierung reingeht, kann man mal die Kulturbrille beiseitelegen“. Mit professioneller Neugier meint sie, dass man durchaus den Betroffenen nachfragen kann, was bestimmte Werte in seiner Kultur, - wie Religion, Fastenzeiten und Bräuche -, für dieser Person bedeuten. Damit vermeidet man selbst Verallgemeinerungen und unzulässige Interpretationen des Gesagten und hilft den Betroffenen ihren Standpunkt selbst zu definieren.
Den Teilnehmern konnten auch die große Materialsammlung vom Projekt DeMigranz –Demenz Support Stuttgart bekanntgemacht werden. Bundesweit hat das Projekt Best Practice-Beispiele zusammengefügt und breitgefächerte Informationen niederschwellig zur Verfügung gestellt. Es lohnt sich im Internet durch die Informationen zu stöbern. Man gewinnt zwangsläufig durch die Filmbeiträge und Texte viele neue Erkenntnisse zum Thema Migration und Demenz.
Für unsere Fachstellen für Demenz und Pflege war diese Veranstaltung eine Auftaktveranstaltung, um mit dem Thema auch in der Zukunft im Rahmen unsere Aufgabenbereiche weiterzumachen.
Dialogbus für pflegende Angehörige
Unsere Fachstelle Demenz und Pflege war zum zweiten Mal mit dem Dialogbus in Niederbayern unterwegs. Diesmal in Vilsbiburg, Eggenfelden und Landau.
Gemeinsam mit den Kooperationspartnern vor Ort wurden zahlreiche pflegende Angehörige erreicht, informiert und beraten und mit den regionalen Angeboten vernetzt.